Albrecht
Dürer

Maler, Zeichner, Kupferstecher, Goldschmied, Kunsttheoretiker

geb. Nürnberg, 21. Mai 1471

gest. Nürnberg, 06. Apr 1528

Dürer und die Dürerzeit sprengen die bisherigen Verhältnisse der Kunst in den deutschsprachigen Ländern – nicht auf dem Gebiet der Architektur. Zum ersten Mal ist das Leben eines Künstlers in großer Ausführlichkeit bekannt, zum ersten Mal gehen seine Interessen weit über die tradierten berufsspezifischen Kenntnisse hinaus. Es zeigt sich erstmalig ein deutlicher Wissensdurst nach einer Theorie der Künste, ohne den Boden eines extrem soliden Handwerks zu verlassen. Die Botschaft der Kunst wird komplizierter, sie verlässt immer wieder das einfachere Terrain christlicher Symbolik. Die ungleiche qualitative Gewichtung Skulptur/Malerei in deutschen Landen wird umgestülpt (es fehlten in der Spätgotik vergleichbar bedeutende Maler wie die europaweit gesehen erstklassige Gruppe von zeitgleichen Bildhauern wie Multscher, Gerhaert, Riemenschneider, Erhart, Kraft, Stoß). Das verändert sich mit Dürer, die Malerei erreicht eine Qualität, die früher nur Niederländern wie van der Weyden und van Eyck eigen war. In der deutschen Renaissance fehlt andererseits eine größere Gruppe von Bildhauern, deren Qualität sich mit den Malern Dürer, Cranach, Grünewald, Baldung und Holbein messen kann – trotz Gregor Erhart und Conrad Meit. Die deutsche Grafik verfestigt jetzt ihren Weltruhm. Dürer ist diesbezüglich ohne Martin Schongauer undenkbar, sozusagen kombiniert er seine Erträge mit den von der italienischen Renaissance gelernten Interessen, und das mit explosivem Ergebnis. Die leichte Verbreitung der Holzschnitte ermöglicht die Dürer-Rezeption bereits innerhalb des 16. Jahrhunderts bis nach Südamerika (siehe Bild seines Rinocero in Tunja, Kolumbien). Erotik wird in der deutschen Kunst erstmalig explizit (Sebald und Barthel Beham führten dies noch weiter fort). Nicht zuletzt macht die Anziehung der männlichen Schönheit Dürer zum Verwandten der großen Italiener seiner Zeit. Tierdarstellungen wie der berühmte Hase erreichen den ultimativen kunstgeschichtlichen Höhepunkt. Dürers Verhältnis zur Formenwelt der Antike bleibt zwiespältig – der gotische Fundus Nürnbergs ist von seinem Werk untrennbar. Trotz langem Aufenthalt in Venedig blieb dies so. Genau dieser „deutsche Charakter“ ist das, was Giorgio Vasari bei ihm monierte. Es gehört zur Dramatik der Geschichte Nürnbergs, dass die Stadt so gut wie alle wichtigen Werke ihres Sohnes an Sammlungen und Museen fremder Städte verloren hat – und mit diesen wohl auch eine Portion Selbstbewusstsein um die Größe seiner reichsstädtischen Kultur. Das 19. Jh. besiegelte das Ende dieser ruhmreichen Vergangenheit. Umso erfreulicher ist im Gegenzug, dass Dürers Wohnhaus und Werkstatt am Tiergärtnertor die (von ihm wohl vorgeahnte?) Apokalypse von 1945 knapp überstanden hat.


Dr. Pablo de la Riestra, Mai 2019

Zeit: 15. Jh., 16. Jh.