1975 1979
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
________________________________
Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
Hermann Kesten in der Mitte
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
linke obere Bildecke
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
linke obere Bildecke und rechts: Familienfoto Kesten Nürnberg 1910
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
blaue Markierung seine Lieblingsschwester Gina / grüne Markierung Hermann Kesten
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
________________________________
Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
Die linke Gestalt, welche in der Art von Richard Lindner gemalt ist, könnte den Vater (?) von Hermann Kesten darstellen, welcher im Ersten Weltkrieg starb / rechts als Bildvergleich ein Gemälde von Lindner: "Thank You" von 1971
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
________________________________
Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
________________________________
Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
________________________________
Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
obere Bildhälfte
Foto 2021, Theo Noll
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
1975 1979
obere recht Bildecke / Joseph Roth und ein Detail aus "Guernica" von Picasso
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
Bildvergleich mit der "Guernica" von Picasso aus dem Jahre 1937 (Die baskische Stadt Guernika wurde 1937 durch einen Luftangriff der deutschen Legion Condor zerstört, ein "Übungsfeld" der deutschen Luftwaffe und Vorbote des Zweiten Weltkrieges)
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
Moses sitzt links vom Cafétisch
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
Moses, Detail
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
Bildvergleich mit der Moses-Darstellung von Michelangelo in Rom (San Pietro in Vincoli)
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2013 / 2021, Pablo de la Riestra, Theo Noll
1975 1979
Moses, Detail mit der linken Hand
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
Moses, Detail mit der rechten Hand
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
Hermann Kesten im Zentrum des Bildes: "Daneben hängt der Überzieher des unbehaust Reisenden" (nach Prechtl)
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
Bilddetail mit Hut
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
Der Hut über Kesten, der den Dichter behütet - oder krönt ? / Hier als Vergleich die Marienkrönung von Kraft aus dem Epitaph des Hans Rebeck in der Frauenkirche
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
________________________________
Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
Portrait Hermann Kesten
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
Portrait Hermann Kesten, Detail
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
Cafétisch
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
JAFFA Orange (Palästina Israel) / Für diesen Hinweis danke ich Christine Stubenvoll, Nürnberg
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
Jesus mit Davidstern sitzt rechts vom Cafétisch und liest in seiner rororo - Biographie
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
________________________________
Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
Bildvergleich mit "Christus als Schmerzensmann" von A. Dürer 1492 / 1493
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
________________________________
Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
________________________________
Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
________________________________
Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
Jesus, Gesicht
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
Jesus liest in seiner rororo - Biographie
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
1975 1979
Signatur von Prechtl
Auftragsarbeit der Stadt Nürnberg anlässlich des 80. Geburtstags des Ehrenbürgers Hermann Kesten.
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Dargestellte Personen und optische Hinweise:
linke obere Ecke:
Der im Ersten Weltkrieg gestorbene Vater (?) gemalt in der Art von Richard Lindner
(Richard Lindner, Maler, 1901 in Hamburg geboren lebte ab 1905 in Nürnberg, musste wie auch Kesten vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten)
Darunter seine Mutter (?)
Darstellung nach Kindheitsfotos von Hermann Kesten und seiner Schwester Gina
rechte obere Ecke:
Josef Roth:
Schriftsteller (*1894 in Brody, heute Ukraine - † 1939 Paris), wie Hermann Kesten auch aus Galizien stammend.
Bildausschnitte aus "Guernica" von Pablo Picasso.
Bildmitte:
- Moses (in der Pose des Moses von Michelangelo)
- Hermann Kesten
- Jesus (nach "Christus als Schmerzensmann" von Albrecht Dürer)
siehe auch:
Christus als Schmerzensmann / Gemälde von Dürer
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Prechtl in einem Interview (Medienwerkstatt Franken / Erinnerungen an Hermann Kesten 2017):
„Die Idee haben wir praktisch gemeinsam gefunden im Gespräch. Ich ging davon aus, Hermann Kesten im Café zu malen, also analog zu seinem Buch „Dichter im Café“. Und im Caféhaus sitzt man ja selten alleine und ich fragte Ihn, wen er als Tischgenossen haben wollte. Er überlegte gar nicht lange und sagte, dann, - ich weiß nicht ob er es ernst gemeint hat - : „Zwischen Jesus und Moses“ Und ich habe Ihn beim Wort genommen und hab Ihn so ins Bild gesetzt.“
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Michael Mathias Prechtl über sein Bild
(Westermann Monatshefte / November 11/1979 / S.208):
Hermann Kesten, der Dichter, sitzt im imaginären Kaffeehaus der Literatur am Tisch zwischen Moses und Jesus. Es sitzen da also drei Juden zusammen, drei Moralisten, drei Schriftsteller, der Emanzipierte zwischen dem Alten und Neuen Testament. Die vielleicht als Anmaßung empfundene Sitzordnung des Weltkindes zwischen Figuren von sakrosankter Bedeutung erscheint mir ganz im Sinn der Beisitzer, wonach selbst dem Geringsten am Tisch des Herrn Platz gegeben werden soll.
Moses, der Befreier und Gesetzgeber, doziert erklärend noch immer, die Rechte auf die gebundenen Gesetzestafeln gestützt und in michelangesker Gestik an den Bart des Propheten gelegt, mit der linken Hand segnend, beschwörend auf die Tischgenossen weisend. Er trägt Arbeitskleidung, die blaue Bluse der Lastträger - ein tätiger Mensch, doch ist er alt und fast erblindet.
Ihm gegenüber Jesus, der passiv Leidende, entblößt, mit dem Stern gezeichnet als Davids Sohn, blumen-dornen-gekrönt, liest in sich versunken in seiner jetzigen Biographie.
Hermann Kesten, der wache Beobachter unserer Zeit, bemerkt mit offenem Blick, den hinzutretenden Bildbetrachter. Das Verhältnis der drei zueinander ist beziehungsreich beziehungslos. Auf dem Tisch Speis und Trank: Vor Moses die Kundschaftergaben, vor Kesten, dem leidenschaftlichen Kuchenesser, die Erdbeertorte und die Tasse Kaffee, vor Jesus das Osterlamm, Wein und Brot. Auf dem Hintergrund sind optische Hinweise zum Leben und Werk Hermann Kestens ausgebreitet.
Links oben ein Bildrelikt seines Freundes Richard Lindner „Hommage à Nürnberg“ (Kesten und Lindner sind beide in Nürnberg aufgewachsen) Das Bild, abgerissen, gibt Zeugnis von den aggressiven Aktionen gegen die Kunst in unserer Zeit, aber auch von den gerissenen Bindungen beider Emigranten zu dieser Stadt und von ihrem Heimweh nach ihr.
Das Lindnerbild wird am rechten Rand von einem Foto überdeckt, darstellend Hermann Kesten als Zehnjähriger zusammen mit seiner Schwester. Daneben hängt ein Überzieher des unbehaust Reisenden, aus dessen Falten eine hilfreiche Hand (der Muse?) den Dichter behütet – oder krönt? Zur rechten oberen Ecke geordnet erst das Bildnis des Freundes Joseph Roth, mit dem er bis zuletzt in Paris zusammen war und der nun von oben auf Hermann Kesten blickt, und ein Stück aus Picassos Guernica, angebrannt, das an Kestens Buch „Die Kinder von Guernica“ erinnern soll. Andere Hinweise auf Kesten-Titel: Die Zwillinge von Nürnberg, Dichter im Café; Bezüge zu seinen Aufenthaltsorten geben der Michelangelo-Moses (Rom), der Dürer-Jesus (Nürnberg), das Roth-Porträt (Berlin 1932), das Lindnerbild (entstanden in New York im Jahre 1958, als beide dort wohnten).
Ein biographisches Bild also, ein Charakterbild, ein Wunschbild dazu, denn die Idee, ihn am Cafétisch in Gesellschaft von Moses und Jesus zu malen, entwickelte sich im Gespräch mit Hermann Kesten bei seinem Besuch in meinem Atelier vor etwas mehr als vier Jahren, im Sommer 1975.
(Für diesen Hinweis danke ich Julia Riß, Amberg)
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Lit.:
- Hermann Kesten, Dichter im Café, 1959
- Michael Mathias Prechtl, Bilder und Zeichnungen 1956 – 1981, Büchergilde 1981
- Hermann Kesten Mit Menschen leben / Ein Nürnberger Lesebuch / Anthologie ars vivendi 1999
- Mir schüchternem Stolz und späten Vergnügen, Auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken, Manfred Schreiner (Hg.), Schrenk-Verlag 2017
- „Zu Hause im 20. Jahrhundert“ Hermann Kesten, Albert M. Debrunner, Nimbus Verlag 2017
- Westermann Monatshefte, November 11/1979
Standort: Nürnberg, Altes Rathaus, Kleiner Ratssaal (Eigentum der Stadt Nürnberg)
Entwurf: Prechtl, Michael Mathias
Umsetzung: Prechtl, Michael Mathias
Dargestellt: Kesten, Hermann
Material: Acryl auf Leinwand
Foto 2021, Theo Noll
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